Sehr geehrte/r Präsident_In
Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit dem vorliegenden Antrag beschließen wir heute, die Leistung und die Strahlkraft einer einzigartigen künstlerischen Leistung zu würdigen.
Wir tun dies hier – im Plenum des Deutschen Bundestages -, weil die „Bauhaus-Schule“ Kultur und Gesellschaft bis heute weltweit beeinflusst.
Die Bauhaus-Architekten gaben Anstöße für die kommunale Stadtentwicklung und entwarfen die typisch schlichte Designsprache, die uns bis heute alltäglich begegnet.
Als Abgeordnete sitzen wir im Paul-Löbe Haus auf den „Barcelona-Chairs“, auch Steve Jobs soll durch das Bauhaus inspiriert gewesen sein. Allerdings bin ich nicht sicher, was Walter Gropius zu den Preisen gesagt hätte, die die Bauhaus-Lampen, -Tische und -Stühle heute auf E-Bay erzielen? Denn schaffen wollte er ja „Volksbedarf statt Luxusbedarf“.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir sind heute hier, weil das Bauhaus mehr ist, als zeitloses, nüchternes Design. Auch mehr, als ein feststehendes Regelwerk von Form und Farbe.
Es ist die Idee, menschliche Grundbedürfnisse über die der Wirtschaft und der Industrie zu stellen. Und den ganzen Menschen, seinen Körper, seinen Geist und auch seine Seele zu umfassen. Gleichberechtigt und ganzheitlich. Das Bauhaus ist eine Kunst, die humanistischen Prinzipien folgt. Das Bauhaus ist eine Haltung.
Auch deswegen wurden seine Künstler, Architekten, Maler und Bildhauer von den Nazis verfolgt.
Weil jede Diktatur, jedes totalitäre System, die mächtige Kraft von Kunst und Kultur fürchtet.
Wir fördern sie!
Wir investieren – etwa über die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und ihre Mittler – in Frieden und Kooperation, in die Freiheit der Kunst, die Gleichwertigkeit der Menschen und in eine offene, eine moderne Gesellschaft. Auch die Nazis haben es nicht vermocht, das dauerhaft auszulöschen.
Eines der wohl stärksten Symbole hierfür ist die „Weiße Stadt“ – die „White City“ – in Tel Aviv, Israel. Es ist die weltweit größte Ansammlung von Häusern im Bauhausstil.
Mitten im modernen Tel Aviv stehen rund 4.000 Bauhaus-Gebäude. Seit 2003 sind sie als einzigartiges Phänomen moderner Architektur-Geschichte Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.
Als Vertreterin des Unterausschusses für die Auswärtige Kultur-und Bildungspolitik will ich dies hier besonders hervorheben, denn die Bundesregierung hat erst vor einigen Wochen beschlossen, dabei zu helfen, dieses Kulturgut zu erhalten.
Wer von Ihnen schon einmal vor Ort war oder etwas darüber gelesen hat, weiß, welche Geschichte sich hinter den teilweise zerfallenen Fassaden und grau-verfärbten Wänden verbirgt und welche Bedeutung die Gebäude für die deutsch-israelischen Beziehungen haben.
Viele der Baumaterialien, mit denen die Häuser gebaut wurden, brachten die verfolgten Juden selbst aus Deutschland mit.
Denn: Auf die Ausfuhr von Bargeld hatten die Nazis hohe Zölle gelegt, um aus der Verfolgung und der Flucht der jüdischen Menschen noch zusätzlichen Profit zu schlagen.
In Tel Aviv hingegen wollte man damals eine Stadt aus Neuer Sachlichkeit und einer offenen Gesellschaft schaffen, wie es das Bauhaus lehrte: Mit flachen Dächern, Balkonen und Gärten, die Begegnung zwischen den Menschen möglich machten. An diesem Ideal soll sich auch die neue Sanierung und die Aufstockung der Gebäude orientieren.
Zum „deutsch-israelischen Projekt“ wird die „White City“ aber auch, weil wir dabei mit deutschen Produkten, Fachwissen und Handwerkskunst gefragt sind.
Projektpartner aus Industrie- und Handelskammern, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Bauhaus-Institutionen und Universitäten sollen bautechnische und handwerkliche Kompetenzen zu der Sanierung beitragen.
Mit dem Max-Liebig-Haus stellt die Stadt Tel Aviv zudem ein repräsentatives Gebäude zur Verfügung, an dem ein lebendiger Austausch entstehen soll. Hier sollen sich Handwerker und Restauratoren weiter qualifizieren und junge Menschen aus Tel Aviv für das Kulturerbe in ihrer Stadt sensibilisiert werden. Ich wünsche mir, dass es auch einen Austausch junger Künstler aus beiden Ländern und Schaffensräume für sie in der White City gibt. Das Bauhaus hat übrigens bewusst keinen Unterschied gemacht zwischen Künstlern und Handwerkern. Es orientierte sich am griechischen Künstler-Begriff des „Kali Technis“ – dem „Guten Handwerker“.
Im Sinne dieser Entstehungsgeschichte, aber gerade auch weil wir in diesem Jahr 50 Jahre diplomatische Beziehungen mit Israel feiern, freut es mich umso mehr, dass das BMU kurz vor Weihnachten beschlossen hat, den Aufbau eines Zentrums für denkmalgerechtes Bauen dort in der Stadt Tel Aviv mit 2,5 Mio. Euro zu fördern. Dafür:
Danke an das Ministerium und besonders auch an die Deutsch-Israelische Gesellschaft für das Vorantreiben dieser Zusammenarbeit. Für dieses gute Stück Kulturdiplomatie.
Wenngleich die lebendige Tradition der vielleicht bedeutendsten Design-Schule mit der Vertreibung seiner kühnsten Protagonisten in Deutschland unwiderruflich abgeschnitten wurde, rufen wir uns in Erinnerung, was das Bauhaus-Archiv formuliert: „Das Bauhaus gehört der Welt, aber es kommt aus Deutschland“.
So beginnen wir heute das Jubiläum im Jahr 2019.
Das Video zu meiner Rede könnt ihr euch hier anschauen: