Vortrag: „Frauen in unserer Gesellschaft“

Mein Vortrag bei der Frauenversammlung der Knappschaft-Bahn-See:


Sehr geehrte Damen,

haben Sie vielen Dank für die Einladung zu Ihrem Seminar heute.

„Frauen in unserer Gesellschaft“ ist Ihr Thema, und besonders „Frauen in den unterschiedlichen Lebensphasen“.

Eine Erkenntnis will ich dann auch gleich vorwegschicken: Dass sich Frauen für Frauen einsetzen, wenn Gleichberechtigung durchgesetzt werden soll, ist zwingend notwendig!

Die Generation vor mir und die davor, hat bereits entscheidendes geleistet für Frauenrechte und Gleichberechtigung. Gerade auch meine Partei hatte daran großen Anteil. Aber noch nicht alles ist erreicht und selbstverständlich schon gar nicht – um hier einen Mann zu zitieren: Nichts kommt von selbst und nur wenig ist von Dauer!

Deswegen freue ich mich besonders über Ihre Einladung, heute auch über Frauen und Politik sprechen und diskutieren zu dürfen – als Abgeordnete einer nicht mehr jungen, aber doch noch jüngeren Generation im Bundestag. Da bleibt man lange jung:)

Zur Orientierung der Vergleich zu den männlichen Kollegen: Ich bin 1980 geboren, bin also so alt wie Christian Lindner oder Jens Spahn.

Am 24.9. bin ich zum zweiten Mal direkt in den Bundestag gewählt worden – im Wahlkreis Herne-Bochum II, mit Verlusten – aber dem besten SPD-Erststimmen-Ergebnis in NRW und dem Drittbesten deutschlandweit, vor mir noch – zwei Männer. Aber: Die nächste Wahl kommt bestimmt:)

Der Bundestag insgesamt wird in seiner 19. Legislaturperiode so männlich sein wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr: Der Frauenanteil im Parlament sinkt von 36,5 auf nun 30,7 Prozent. Niedriger war er zuletzt nur bei der Wahl 1994.

Grund dafür ist nicht zuletzt der Einzug der AfD in den Bundestag, ihre Fraktion wird mit Abstand die männlichste sein. In der vorläufigen Sitzverteilung sind nur zehn der 93 Abgeordneten Frauen, darunter die Spitzenkandidatin Alice Weidel und die EU-Abgeordnete Beatrix von Storch.

Auch die FDP- und die Unionsfraktion ziehen den Schnitt bei den Frauen nach unten. Nach der Wahl 2013 lag zum Beispiel der Anteil der weiblichen Abgeordneten bei CDU/CSU noch bei einem Viertel, nun wird es nur noch ein Fünftel sein.

Grüne, Linke und SPD haben sich unterschiedliche Regeln gegeben, um den Anteil der Frauen zu steigern. Die Sozialdemokraten kommen jetzt auf gut 40, Grüne und Linke auf mehr als 50 Prozent weibliche Abgeordnete.

Die Zeiten, in denen Frauen im deutschen Parlament ein Schattendasein fristeten und ihr Anteil über die zehn Prozent nicht hinauskam, sind zwar vorbei.

Doch noch immer hat die deutsche Politik ein Frauenproblem: Auch bei dieser Bundestagswahl zeigt sich: Nur 29 Prozent der Direktkandidaten waren Frauen!

Diese Wahlkreise zu quotieren, ist in der Tat schwierig – bei uns in Herne-Bochum ist es der Fall.

Möglich wäre bundesweit, weitere gesetzliche Regeln zu erlassen, etwa über ein Paritätsgesetz, bei dem sich Männer und Frauen zumindest auf den Wahllisten abwechseln müssen.

Aber was sind eigentlich die Ursachen dafür, dass so wenig Frauen in diesen Funktionen sind?

Sicher habe ich eigene Erfahrungen gemacht, die ich Ihnen heute nicht vorenthalten will.

Wer Politik in verantwortlichen Positionen mitgestalten will, kommt an den Parteien nicht vorbei. Viele politische Laufbahnen nehmen zudem ihren Ausgangspunkt in der Kommunalpolitik. So war es auch bei mir.

Ich hatte kein sonderlich politisches Elternhaus. Aber Freunde – auf der Schule hat mich einer angesprochen, ob ich nicht mal Lust hätte, mit zu den Jusos zu kommen. So war der Weg in die Partei geebnet. Aber die hat es mir dann auch nicht immer leicht gemacht.

Bei meiner ersten Sitzung im Ortsverein etwa – der mir diese Geschichte inzwischen verzeiht -, ging es um die Frage: „Was soll bei der Nikolausfeier auf den Teller? Spekulatius und Dominosteine oder Kuchen?“ Nach halbstündiger Diskussion habe ich mich enthalten. Insgeheim dachte ich mir: Absurde Diskussion erfordert absurdes Stimmverhalten. Aber diesen Gedanken behielt ich an dem Abend für mich.

Danach war ich mir nicht mehr so sicher, ob das mit der Politik was für mich ist. Aber als Jusos hatten wir einen Plan: Wir wollten mitmischen! Also wurden die Abende lang und verraucht. Und während meine Schulfreunde jetzt tags studierten und abends Partys feierten, saß ich im Kolpinghaus – meistens mit Männern – und diskutierte über die Haltestellenverlegung, neue Ideen der SPD, die hießen „Agenda 2010“ oder überlegte mit, ob der Ortsverein auf dem nächsten Familienfest Waffeln backen sollte.

Zunächst lässt sich wohl festhalten: Politik für JUNGE Menschen war das nicht. Weder für junge Frauen, noch für junge Männer. Aber ich hatte ja die Jusos. Zum Glück.

Warum aber sind es gerade die Frauen, die am Ende in diesen Partei-Strukturen so selten durchsetzen? Hin und wieder lohnt es, die persönliche Wahrnehmung auf Verifizierbarkeit – Allgemeingültigkeit – hin zu überprüfen.

Also habe ich mir in Vorbereitung auf diesen Vortrag auch einige Zahlen und Beiträge von Wissenschaftlerinnen angesehen, die den Fragen nachgehen:

„Haben Frauen heute die gleichen Chancen wie Männer zur Übernahme politischer Ämter und Führungspositionen? Oder ist Politik doch nach wie vor eine männliche Domäne?“

Dabei ist festzustellen: Für Frauen besitzen die Parteien nur eine geringe Attraktivität. Sie stellen etwas mehr als ein Viertel aller Parteimitglieder.

In den einzelnen Parteien fällt der Frauenanteil allerdings sehr unterschiedlich aus. An der Spitze stehen Bündnis90/Die Grünen und die Linke (mit einem Frauenanteil von jeweils rund 37 Prozent), die SPD (31 Prozent), die CDU (26 Prozent) sowie die FDP (23 Prozent). Das Schlusslicht bilden die bayerische CSU mit einem Frauenanteil von lediglich 20 Prozent und AfD mit gerade mal 16 Prozent Frauen.

Was sind aber die Gründe der anhaltenden Unterrepräsentation von Frauen in der Politik?

Dr. Beate Hoecker, Politikwissenschaftlerin an der Leibzig-Universität Hannover, hat hierzu fünf Hauptgründe zusammengefasst:

  • Frauen haben weniger Interesse an (institutionalisierter) Politik als Männer. Repräsentative Umfragen belegen immer wieder, dass sich Frauen für Politik deutlich weniger interessieren als Männer. Nach einer jüngsten Umfrage des Allensbacher Instituts zeigen sich nur 39 Prozent der Frauen, aber 59 Prozent der Männer an Politik interessiert. Da das politische Interesse aber als Voraussetzung für ein politisches Engagement gilt, dürfte hier ein wichtiger Grund für die Unterrepräsentation von Frauen in der Politik liegen. Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass sich dieses geringere politische Interesse von Frauen in erster Linie auf Politik in ihrer institutionalisierten Form (z.B. Mitgliedschaft in einer Partei, Bereitschaft zur politischen Amtsübernahme) bezieht, denn im so genannten unkonventionellen Bereich (z.B. Demonstrationen, Mitarbeit in einer Bürgerinitiative oder Sammeln von Unterschriften) fallen die Geschlechterdifferenzen deutlich geringer aus (Politische Partizipation in Deutschland 2004).
  • Die Formen politischer Arbeit sind männlich geprägt und Frauen eher fremd. Bis zum Jahr 1908 war Frauen durch das preußische Vereinsgesetz von 1850 die Mitgliedschaft in Parteien untersagt, und auch das allgemeine Frauenwahlrecht erhielten sie erst 1919 und damit 50 Jahre später als die Männer. Insofern hatten Frauen an der Gestaltung des politisch-parlamentarischen Systems keinen Anteil. Vielmehr fanden sie beim Eintritt in die politische Sphäre eine bereits verfestigte Grundstruktur vor, und auch heute noch sind die Formen der politischen Arbeit, also die Organisationsstrukturen sowie die Versammlungs- und Kommunikationsstile männlich geprägt. Wenn Frauen sich in diesem Politikfeld engagieren, dann sind ihnen die Abläufe und Kommunikationsstrukturen somit oftmals fremd. Studien über Frauen in Parteien belegen beispielsweise, dass die weiblichen Parteimitglieder eine Distanz zu den routinierten Versammlungsabläufen haben. Sie beklagen den Formalismus der Parteiversammlungen, aber auch manche Endlosdiskussion, in der ein roter Faden und der inhaltliche Kern der Auseinandersetzung nicht mehr zu erkennen sind. Darüber hinaus werden ein ausgeprägtes Konkurrenzdenken sowie männliche Profilierungssucht kritisiert. (Vgl. hierzu u.a. Schöler-Macher 1994; Hoecker, 1999; Kürschner 2009) Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass Frauen die eher spontanen und weniger formalisierten Beteiligungsformen insbesondere der neuen sozialen Bewegungen bevorzugen.
  • Politische Karrieremuster erschweren Frauen den Aufstieg In unserer Parteiendemokratie beginnt eine politische Karriere üblicherweise in den lokalen Führungsgremien der Parteien, von wo aus dann der schrittweise Aufstieg („Ochsentour“) erfolgt. Neben einem akademischen Studium und beruflichem Fachwissen ist insbesondere die individuelle Abkömmlichkeit von zentraler Bedeutung, da sich die politische Arbeit von einer Feierabendtätigkeit immer mehr zum eigentlichen Hauptberuf entwickelt. Gerade diese zeitliche Abkömmlichkeit aber bereitet Frauen größere Probleme als Männern, da Familienpflichten und Kinderbetreuung zumeist eher von Müttern als von Vätern wahrgenommen werden und sie daher weniger präsent, flexibel und verfügbar sind. (Hier will ich hinzufügen: Das fängt im Stadtrat an und ist nicht nur ein Problem von Frauen, sondern auch eines für bestimmte Berufsgruppen, Selbstständige etwa.) Insgesamt aber stimmt: Nur durch Verzicht auf eine eigene Familie können folglich viele Parlamentarierinnen das hohe Arbeitspensum bewältigen; für männliche Abgeordnete ist es dagegen normal, verheiratet zu sein und Kinder zu haben. Diese ungleiche Lebenssituation von Männern und Frauen, die wiederum auf traditionellen Rollenvorstellungen beruht, ist zudem auch der Grund dafür, dass die Quotenregelungen der Parteien nur eine begrenzte Wirksamkeit entfalten; denn sie verändern zwar parteiinterne Nominierungsmuster (bedingt!) zugunsten von Frauen, nicht aber die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der Gesellschaft.
  • Frauen sind in informelle Entscheidungsstrukturen weniger eingebunden als Männer. Für eine erfolgreiche politische Karriere ist die Einbindung in informelle Entscheidungs- und Machtstrukturen von zentraler Bedeutung. Gerade Frauen aber sind von diesen informellen Kreisen, sei es in Parteien oder Parlamenten, oftmals ausgeschlossen. Hier üben Männer den Schulterschluss gegenüber den Ansprüchen ihrer Parteikolleginnen und verweigern oftmals eine angemessene Unterstützung. Dabei bedient man sich häufig subtiler Formen der Diskriminierung. So halten Parteifunktionäre beispielsweise an ihrem gewohnten Abstimmungs- und Nominierungsverhalten zugunsten von Männern fest; zudem werden an die politischen Qualifikationen von Frauen und Männern unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Insbesondere Frauen in politischen Spitzenpositionen sehen sich häufig einer härteren Kritik ausgesetzt als ihre männlichen Kollegen. Umgekehrt ist die Anerkennung ihrer Leistungen als Politikerinnen nicht selten von männlicher Herablassung geprägt. (Vgl. hierzu Hoecker 1999)
  • Politikerinnen werden in den Medien marginalisiert und trivialisiert. Um in der Politik Erfolg zu haben, müssen sich Frauen nicht nur im innerparteilichen Konkurrenzkampf bewähren, sondern benötigen zur Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zugleich die Medien. Wie Untersuchungen belegen (Holz-Bacha/König-Reiling 2008), entspricht die mediale Darstellung von Politikerinnen aber keineswegs der von Politikern. Zum einen werden Politikerinnen in der Berichterstattung marginalisiert, d.h. die Medien berichten quantitativ deutlich weniger über sie. Zum anderen ist eine geschlechtstypische Darstellung auffällig: neben dem sachlichen Zusammenhang richtet sich das mediale Interesse bei Politikerinnen viel stärker auch auf ihre Privatsphäre und ihr Äußeres. Diese Trivialisierung geht einher mit einer eher abwertenden Berichterstattung über die politische Rolle und die Leistungen von Politikerinnen (Holz-Bacha/König-Reiling 2008). Welche Auswirkungen diese Art der Darstellung von Politikerinnen auf das politische Interesse von Frauen und ihre Bereitschaft zur politischen Beteiligung hat, ist offen. Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass Marginalisierung und Trivialisierung letztendlich zur Verfestigung traditioneller Geschlechterstereotype – und damit zur Unterrepräsentation von Frauen in der Politik – beitragen.

In der Schlussfolgerung heißt es: Soll Politik nicht eine männliche Domäne bleiben, dann stellt eine konsequente Politik der Geschlechtergleichheit mit die wichtigste Aufgabe dar.

Insbesondere die Parteien sind aufgefordert, Frauen nicht nur in Wahlkampfzeiten als relevante Zielgruppe  zu umwerben, sondern ihren Lebenslagen und Interessen in der politischen Praxis permanent Rechnung zu tragen.

Darüber hinaus kann Gleichberechtigung nur gelingen, wenn die Politik auch Männer in den Blick nimmt und einen Wandel des männlichen Rollenverständnisses intendiert.

Das sehe ich auch so – und bin damit in der SPD zum Glück nicht alleine.

Wichtige Themen, die ein modernes Familien und -Rollenbild zugrunde legen, hat Manuela Schwesig als Ministerin angefasst. Etwa die Elternzeit, oder Frauenquote und den Ausbau der Kitas. SPD-Politik nimmt die Frauen und ihre Anliegen ernst – das ist seit der Gründung der Partei vor 153 Jahren so.

Aber: In der Tat vermittelt sich Politik vermittelt auch über Personen – wie diese Personen wahrgenommen werden ist ebenfalls entscheidend.

Deswegen müssen auch die Medien ihrer Sozialisationsfunktion nachkommen und neue Gechlechterrollenbilder vermitteln. Die Verwirklichung der Geschlechterdemokratie bleibt somit eine Herausforderung auch für das 21. Jahrhundert.

Zur „Wahrnehmung von Frauen in der Politik“ will ich aus diesem Grund heute auch noch etwas sagen.

Frauen, die sich in die Politik begeben, müssen sich nicht nur gegen ihre männlichen Konkurrenten durchsetzen, sondern auch gegen gesellschaftliche Stereotype.

Hierzu ist ein internationaler Vergleich Christina Holtz-Bacha  interessant, die Bilder von Politikerinnen untersucht hat.

Obwohl sich Frauen in allen Teilen der Welt bis an die Spitze durchgesetzt haben, scheinen immer noch Männer die Politik zu bestimmen.

Überraschend ist das nicht, denn Männer waren einfach früher da: Seit Jahrhunderten schon haben sie Politik gemacht und hatten Zeit, die Spielregeln festzulegen.

Kurz und international gesagt: „Manly men, doing manly things, in manly ways.“

Frauen haben es daher schwer in der Politik, und nach wie vor gilt: Je höher die politische Ebene, desto dünner ist die Luft für Frauen.

Und: Frauen werden noch immer von wichtigen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen und sehen sich geschlechterspezifischen Klischees ausgesetzt, die sich auch in der massenmedialen politischen Berichterstattung widerspiegeln.

Denn: In der Gesellschaft gibt es bestimmte Vorstellungen davon, welche Eigenschaften Politikerinnen und Politiker mitzubringen und wie sie sich zu verhalten haben.

Diese Bilder weisen viele Merkmale auf, die üblicherweise eher Männern als Frauen zugeschrieben werden, und sie passen nicht gut zu den typischerweise Frauen zugeschriebenen Eigenschaften.

Männer gelten als stark, aggressiv, rational, aktiv, selbstbewusst und durchsetzungsfähig. Frauen als emotional, warmherzig, mitfühlend, sanft und vorsichtig.

Damit hängt auch zusammen, dass Frauen und Männern unterschiedliche Kompetenzen zugeschrieben werden, die sie entsprechend für verschiedene Politikfelder empfehlen: Männer für Außenpolitik, Sicherheit, Militär und Wirtschaft, Frauen für Soziales, Gesundheit, Erziehung und Umwelt.

Wollen Frauen also in der Politik aufsteigen, müssen sie solche gesellschaftlichen Vorstellungen, die auch die politischen Akteure selbst prägen, berücksichtigen.

Das bringt Frauen in eine schwierige Situation, zu deren Charakterisierung der psychologische Begriff „double bind“ herangezogen wird. Damit bezeichnet man eine Situation, die kaum zu gewinnen ist: Was immer eine Person tut, um in der Situation zu bestehen, ist falsch. Geben sich die Frauen kühl, kalkulierend und aggressiv, wie es das politische Geschäft verlangt, riskieren sie Ablehnung als „Mannweiber“; empfehlen sie sich mit vermeintlich weiblichen Eigenschaften, gelten sie als ungeeignet für die schweren Herausforderungen der Politik.

Wir Frauen kennen das, auch wenn wir nicht in der Politik sind! Jeder Lebensentwurf wird kritisiert: Kinder oder Kinderlos, berufstätig oder Hausfrau. Immer sind es Frauen, die sich rechtfertigen müssen.

Der Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Geschlechterbildern und den Vorstellungen vom politischen Betrieb sowie die dafür benötigten Eigenschaften und Kompetenzen, prägen auch die Medien und diejenigen, die für sie arbeiten.

Auf die Medien ist aber angewiesen, wer in der Politik erfolgreich sein will: Weil selten Gelegenheit besteht, Politik direkt zu erfahren, orientieren sich die meisten Menschen an den medial vermittelten Bildern.

Auch die politischen Akteure selbst sind keineswegs unbeeinflusst von

dem, was die Medien über die Politik berichten. Entscheidend für Frauen, die sich in die Politik begeben und dort auch auf höheren Ebenen mitentscheiden wollen, ist also, wie die Medien über Politikerinnen allgemein und über bestimmte Politikerinnen berichten.

Politikerinnen wissen, dass die Medien für sie eine bedeutende Hürde darstellen, da über Frauen anders berichtet wird als über Männer. Seit Jahrzehnten gilt weltweit die Klage, die Medien seien bei Frauen stets mehr an ihrem Aussehen und ihrem Privatleben interessiert als an ihren politischen Anliegen: Was hat sie an, wie sitzt die Frisur, muss ihr Mann sein Essen nun selbst kochen und wer kümmert sich um die Kinder, während sie Politik macht?

Ihre männlichen Kollegen dagegen werden mit solchen Fragen selten konfrontiert. Das bedeutet, dass für Politikerinnen Kriterien zur Bewertung herangezogen werden, die sich nicht am konkreten politischen Stil und Inhalt orientieren und bei Politikern kaum eine Rolle spielen. Solche

Unterschiede in der Berichterstattung machen Frauen den Aufstieg in der Politik schwer.

Von „Angie“ bis Hillary – Nur in wenigen Staaten hat es bisher mehrmals eine Frau im höchsten Regierungsamt oder als aussichtsreiche Kandidatin für ein solches Amt gegeben. Wie selten Frauen in diesen Ämtern bei allem Fortschritt noch immer sind, zeigt:

Noch heute erkennt man, wenn die G8 sich treffen, auf dem Foto Angela Merkel auf den ersten Blick!

Dieser Neuigkeitswert, der sich mit diesem „Frau-unter-Männern-Phänomen“ verbindet, demonstriert allerdings zugleich das Ungewöhnliche am Aufstieg von Frauen an die Spitze der Politik: Sie sind die Neuen in einem Männergeschäft, dessen Regeln sie erst einmal lernen müssen.

Während Männer für das Männergeschäft Politik per se geeignet scheinen, werden Frauen auf dem Weg in ein höheres politisches Amt mit Fragen nach ihrer Kompetenz konfrontiert. Mit der Frage danach, ob sie dem angestrebten Amt und dem Machtkampf gewachsen sein würden. Dies geschieht – in den Medien, aber auch durch die männlichen Konkurrenten – entweder direkt oder indirekt durch Betonung von (vermeintlich

weiblichen) Eigenschaften, die eine Kandidatin ungeeignet erscheinen lassen.

Die Kompetenzfrage verbindet sich mit Zweifeln daran, ob Frauen aus eigener Kraft und aufgrund eigener Leistung in eine politische Spitzenposition gekommen sind.

Aus diesem Grund und um nicht nur als die „Frau von Bill Clinton“ gesehen zu werden, hat Hillary Clinton ihre Präsidentschaftskandidatur langfristig vorbereitet und ist zunächst als Senatorin in den US-Kongress eingezogen – und hat am Ende gegen einen sexistischen Macho verloren.

Frauen müssen sich außerdem eine besondere Berichterstattung gefallen lassen, die Medien beschäftigen sich gerne mit ihrem Aussehen (Figur, Kleidung, Frisur).

Dazu mal ein Beispiel aus dem Stern über den Landtagswahlkampf von Julia Klöckner:

„In der Halle der Turngemeinde 1847 von Nieder-Ingelheim dreht sich die Spitzenkandidatin der CDU an diesem Abend wie eine Walzerkönigin beim Maitanz. Bis ihre schlanke Silhouette, die perfekt schraffierte Maquillage, das fedrig geschnittene Haar von allen Seiten bewundert sind“  „Sie lacht bis in die hintersten Winkel ihres sehr schönen Mundes. Sie war mal bei, geschätzt, Größe 44. Jetzt vielleicht Größe 36/38“ „Als Julia Klöckner 2002 in Berlin aus der Rebstocklandschaft des Guldenbachtals aufploppte, da war sie sogleich das Prachtweib der Partei. Eine Loreley mit Pustebacken. Immer nur lächeln und immer vergnügt. Auf Parteitagen erschien sie aufgeföhnt und in weiß abpaspelierten Blazern, wie sie damals die CNN -Moderatorinnen in Amerika hatten.“

Dieses Portrait ist geschrieben – von einer Frau. Die junge Journalistin Lara Fritschze schrieb hingegen einmal im Magazin der SZ:

Keine der Frauen in empfindet es als Problem, eine Frau zu sein. Auch nicht als schwierig. Es ist nicht das Amt, das anders lastet, nicht der Machtkampf, den sie scheuen. Das Problem, das sie haben, liegt darin, dass andere eines mit ihnen haben. Viel mächtiger als der politische Kontrahent oder der harte Angriff ist das Klischee, wie eine Frau zu sein hat. Das ist ihr Gegner. Und nie ist dieser Gegner so stark wie im Wahlkampf. Ein Mann ist ein leeres Blatt Papier. Eine Frau ist kein leeres Blatt, sie ist eine Abweichung vom Normalzustand. Sie ist die Frau. Natürlich ist sie noch mehr. Sie kann schlau sein oder dämlich, höflich oder unfreundlich, rigide oder locker. Aber sie ist das alles als Frau. Das Blatt Papier, das sie ist, hat die Farbe rosa. Alles, was man darauf schreibt, sieht anders aus als auf einem weißen Blatt Papier. Blaue Tinte wirkt lila. Gelbe Tinte wirkt orange. Aus energisch wird hysterisch. Aus konsequent wird zickig. Aus realistisch wird verbittert. Aus attraktiv wird Barbie. Aus Vollzeitpolitikerin wird Rabenmutter. Aus durchsetzungsstark wird eiskalt. Aus schwanger wird „nicht erreichbar“. Aus emotional wird gaga. Aus machtbewusst wird Königsmörderin. Und aus einem neutralen Gesichtsausdruck wird bei einer Frau ein unfreundlicher. Politikerinnen müssen all diese Verfärbungen immer mitdenken.“

Diese Beschäftigung der Medien – und der Politikerkollegen – mit privaten Aspekten, insbesondere dem Aussehen, und damit die Einbeziehung sachfremder Kriterien in die Bewertung der Politikerinnen aktualisiert die Geschlechterstereotypen sowie gesellschaftliche Rollenerwartungen an Frauen und hat die gleiche Wirkung wie die Assoziation von Kandidatinnen mit „soften“ Themen: Sie unterstreicht, dass weibliche Kompetenz nicht in der harten Politik gesehen wird!

Spätestens wenn man selbst betroffenen ist, wenn man merkt, das Problem hat man gar nicht selbst, das Problem haben die anderen, spätestens dann wird man auch dafür sensibel. Es ist wie bei der Frauenquote – erst die Erfahrung zeigt, dass eine Quote nicht die Schwächen der Frauen kompensieren muss, sondern die der Gesellschaft!

Insofern hat die Frauenbewegung mit mir eine engagierte Mitstreiterin. An eigenen Erfahrungen mangelt es mir nicht.

Meine eigene Geschichte ging weiter. Trotz des Weihnachtstellers bin ich in der SPD geblieben – und einige Jahre später wurde ich in den Stadtrat und den Vorstand der Herner SPD gewählt.

„Die vermutlich einzig richtig junge Person in drei Kilometern Umkreis heißt Michelle. Michelle trägt ein sehr sparsames Kleid, eine Textilie, die sich Hans Eichel beim Zuschnitt seines Etats mal besser zum Vorbild genommen hätte.

Außerdem ist sie die Organiosations-Chefin. Hauptredner im Volkshaus ist Ministerpräsident Peer Steinbrück. Michelle scheint ihn irgendwie nervös zu machen. Steinbrück sagt: „Die SPD hat nicht immer recht. Bei Ikea hält auch nicht immer alles, mit Ausnahme von Billy Boy. Ich denke, nanu, Billy Boy ist doch eine Kondommarke. Der Steinbrück ist ja völlig fertig.“ Tagesspiegel, 2005.

Verehrte Damen, das Kleid war nicht nur pechschwarz und knöchellang – es ist auch nur eine von vielen Erfahrungen, die ich seitdem „als Frau in der Politik“ gemacht habe. Damals war ich übrigens Mitte 20 und habe der Seniorengruppe bei einer Veranstaltung geholfen. Peer Steinbrück kannte ich da schon fünf Jahre, als Unterstützer der jungen Kommunalpolitiker und Kollegen im Landesvorstand.

Von Herne bis nach New York gilt bis heute: Weltweit befinden sich Frauen, die sich in die Politik begeben, in einer Zwickmühle. Weiblichkeit und Machtstreben scheinen nicht zueinander zu passen. Es gibt kein Rezept dafür, wieviel Politikerinnen von dem einen und dem anderen demonstrieren sollten.

Als ich in den Bundestag gewählt wurde, habe ich mich jedenfalls gefragt: Wie kann ich mich in meiner neuen Aufgabe, in meiner neuen Rolle, als erstes von dem Klischee „Frau von“ befreien und einfach nur eine gute Abgeordnete sein?

Dafür habe ich 1. alle Politikfelder ausgeschlossen, in denen mein Mann schon einmal Minister war. Für die eigene Arbeit im Bundestag kam also nicht mehr infrage: Verkehr, Bauen, Wohnen, Arbeit, Gesundheit, Soziales. Zudem habe ich mir politische Aufgaben gesucht, von denen Franz möglichst wenig Ahnung hat. So bin ich Außenpolitikerin geworden.

Auch wenn er sich sonst sehr zurückhält, hatte er dann auch gleich ein paar halbseidene Tipps für mich: „Als Außenpolitikerin brauchst du drei Dinge“, hat er gesagt. 1. Einen Nadelstreifenanzug. 2. Ein Abonnement der New York

Times und 3. du musst distinguiert gucken. Ich dachte mir, „naja, wenn er mir was zum Anziehen kaufen will, dann sage ich jetzt auch nicht Nein.“:-)

Ein anderer schöner Effekt, der ganz von selbst einsetzt, ist: Wenn ich heute in Schulen gehe, kennen die Schüler meinen Mann gar nicht mehr. Die sind vielmehr positiv davon überrascht, das kein Alter man im Anzug vor ihnen steht. Die lassen sich begeistern. Mädchen aber auch Jungs. Und: Ich treffe eine Generation, die viel normaler mit Frauen in Führungspositionen aufwächst.

Wir Frauen müssen uns bewusst sein, wie wir selbst in diesen Rollenklischees gefangen sind, und uns von diesem Denken befreien, auch gegenüber anderen Frauen.

Ich bewundere es deswegen sehr, dass Hillary Clinton oder die IWF-Chefin, Christine Lagarde, auf ihren Reisen und Terminen immer auch Programmpunkte einplanen, die Frauen besonders berücksichtigen.

Treffen mit Frauen gehören zum festen Ritual ihrer Auslandsreisen. Lagarde nennt diese Treffen „Girls Out“.

Kein männlicher Mitarbeiter darf dann teilnehmen, keiner ihrer Aktenträger, nicht einmal ihr Lebensgefährte Xavier Giocanti, der sie gelegentlich auf ihren Reisen begleitet. Lagarde findet, dass Frauen untereinander anders reden, offener, ehrlicher.

Männer, findet sie, stören da nur.

Wir waren hier heute wunderbar ungestört. Dafür danke ich Ihnen herzlich. Ich bin am Ende doch wieder am Anfang: Frauen unterstützen wir am besten, wenn Frauen, Frauen unterstützen!