Acht gute Gründe, warum BKM eine ausgezeichnete Idee war

Mein Beitrag zum Buch „Wachgeküsst – 20 Jahre neue Kulturpolitik des Bundes 1998-2018“ herausgegeben von Olaf Zimmermann und dem Deutschen Kulturrat e.V. :


1. Zur rechten Zeit

»Alle Arbeitslosen in den Wolfgangsee – wir fluten Kohls Urlaubsparadies« propagierte der Künstler Christoph Schlingensief vor der Jahrhundertwende und rief nach 16 Jahren Kohl auch zu einem politischen Wechsel auf. Rot/Grün wollte 1998, nach Jahren des Stillstands, das Haus  Bundesrepublik abstauben und frische Luft durch die Fenster lassen – mithelfen sollten dabei auch die Zivilgesellschaft und Künstlerinnen und Künstler, mit ihrer Einmischung in politische Diskussionen und einem kritischen Blick auf die Zeit. Mich haben sie politisch aufgeweckt.

 

2. Ein kultureller Aufbruch

Gerhard Schröder wollte unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung beweisen, dass es nicht nur um einen Regierungswechsel, sondern auch um ein modernes Regierungsverständnis ging. Die Schaffung von BKM war Teil dieses kulturellen Aufbruchs – und zugleich ein politisches Angebot. Die Kulturpolitik erhielt mehr Gewicht innerhalb der Bundesregierung, nicht zuletzt aufgrund des Kabinettsranges von BKM.

 

3. Impulsgeber und Ansprechpartner

Mit dem ersten Kulturstaatsminister, dem Publizisten und Verleger Michael Naumann, erhielt die Bundeskulturpolitik Erkennbarkeit und Stimme, auch in Europa. Seine Funktion wurde schnell erkennbar: Als nationaler Ansprechpartner, Impulsgeber für Debatten und zuständig für die Schaffung von Ordnungsrahmen. In ganz Deutschland übernahm BKM Kulturpolitische Verantwortung für gesamtstaatlich bedeutende Kultureinrichtungen und Projekte mit nationaler und internationaler Ausstrahlung.

 

4. Freiheit und soziale Sicherheit gehen Hand in Hand – Anwalt der Interessen von Künstlern

Künstlerische Freiheit und kreative Ideen brauchen Freiraum, eine wirtschaftliche Basis und die passende soziale Absicherung. Unter anderem die Buchpreisbindung, die soziale Absicherung bis hin zum »Arbeitsrecht« der Kreativen, dem Urheberrecht, bestimmen das Entstehen, aber auch die Verwertung und den Zugang zu Kunst und Kultur. Mit BKM gab es nun auf Bundesebene erstmals einen Anwalt für die Interessen der Künstler und Kreativen, aber auch der Produzenten und Verwerter, um diese Rahmenbedingungen auszugestalten.

 

5. Neue Strukturen für ein modernes Land

Um die Aufgaben von nationaler Bedeutung, aber auch die Förderung zeitgenössischer Kunst und Kultur mit internationaler Ausstrahlung deutlicher herauszustellen, brauchte es neue Formen der Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Dazu mussten die Förderstrukturen in der Kulturpolitik angepasst und modernisiert werden – die Kulturstiftung des Bundes oder auch das Gedenkstättenkonzept des Bundes wirken bis heute erfolgreich.

 

6. Der Bevölkerung: Eine neue Hauptstadt

Wenige Kunstprojekte illustrieren den kulturellen Wandel und die Suche nach einem offenen Identitätsbegriff, der mit dem Umzug in die neue Hauptstadt Berlin einherging, so wie das partizipatorische Kunstprojekt »Der Bevölkerung« von Hans Haacke im neuen Bundestag. Als Reaktion auf die Inschrift auf dem alten Reichstag »Dem Deutschen Volke« wurde die neue zusätzliche Inschrift im Innenhof des Bundestages zum Ausdruck der demokratischen Beteiligung und einer offenen Debattenkultur. Das wiedervereinte Berlin sollte mit dem Wandel zur Hauptstadt auch das kulturelle Herz der Bundesrepublik werden.

 

7. Das kulturelle Europa

Das Ende der Geschichte trat nach dem Zusammenfall der Sowjetunion und mit dem Ende des kalten Krieges nicht ein, wie Francis Fukuyama vorhergesagt hatte. Im Gegenteil. In der Erwartung, dass die Vertiefung der europäischen Integration immer weiter voranschreiten würde, ging auch Deutschland in Europa neue Wege. Neben der über Jahrzehnte des Friedens in Europa gewachsenen Partnerschaft zu den westeuropäischen Nachbarn galt es nun, die kulturellen Beziehungen auch zu Osteuropa in einem europäischen Verständnis weiter zu entwickeln, vor allem bezogen auf erinnerungspolitische Fragen – wie etwa die Förderung der Bundesvertriebenenkultur.

 

8. Für den Wandel in der Welt

Kunst, Kultur, Ideen und Wissen machen an nationalen Grenzen nicht halt. Die globalen Herausforderungen verlangen Antworten jenseits des nationalen Schneckenhauses. Ralf Dahrendorf sprach schon früh von einer »Außenpolitik der Gesellschaften«, die die Begegnung der Zivilgesellschaften stützt und neben der Diplomatie Verständigung ermöglicht. Bei der Einrichtung von BKM bestand die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes, die auch Willy Brandt schon als dritte Säule deutscher Außenpolitik beschrieb, schon fast acht Jahrzehnte.

BKM schaffte letztlich die noch fehlende Verbindung zwischen Innen, den Ländern, und dem Außen, den internationalen Kulturbeziehungen. Heute, 20 Jahre später, sehen wir, wie Deutschlands Rolle in der Welt sich gewandelt hat und wie sehr eben diese Grenzen in der globalisierten Welt verschwimmen.

 


Das Buch ist kostenfrei als pdf erhältlich.