Veranstaltung „Weimarer Dreieck der Frauen: Frauen in Europa – Europa der Frauen“

Liebe Frauen, was kann man nach Rita Süßmuth und zwei so tollen Kolleginnen noch sagen?

Sehr geehrte Generalkonsulin,
liebe Cornelia!

Ich möchte als erstes Dir herzlich dafür danken, dass Du diese Initiative ergriffen und mit großem Engagement vorangetrieben hast. Allein die Worte und die Teilnahme heute machen bereits deutlich: Das war eine sehr gute Idee.

Und ich bin froh, dass Du, liebe Ulrike, dies so dankbar aufgenommen und uns unter das Bremer Dach genommen hast.

Dass ich dazu noch Frau Gawin heute wiedersehe, auch das ist eine gute Fortsetzung dessen, was wir untereinander an Gesprächen geführt haben.

Ich glaube für uns, die zu den jüngeren Frauen der Politik gehören sagen zu können, dass wir aus der Geschichte gelernt haben. Rita Süssmuth steht für so eine Frau, die früh angefangen hat überparteiliche Allianzen zu schmieden.

Lassen Sie mich gleich zur Sache kommen, ganz wie es unsere Art ist im Ruhrgebiet, und ein paar Ergänzungen machen, zu dem, was richtiger Weise schon gesagt worden ist.

1.) Warum brauchen wir ein Weimarer Dreieck?

Ein enger Austausch zwischen Frankreich, Polen und Deutschland ist essenziell, um Europa voranzubringen.

Die guten nachbarschaftlichen Beziehungen, die Freundschaften zwischen unseren drei Ländern haben als Brücke zwischen Ost und West eine besondere Bedeutung für den Zusammenhalt in Europa.

Und deshalb müssen sie sorgsam gepflegt werden.

Es geht um Verständnis und Vertrauen in einer komplexer gewordenen Welt. Es geht um die gemeinsame Verantwortung für den Zusammenhalt in Europa. Und es geht darum, gemeinsam Antworten auf große Herausforderungen zu finden.

Nicht zuletzt deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass dieses Format seine Kraft und Wirksamkeit erst voll entfalten kann, wenn es über die staatliche Ebene hinaus tief in die Zivilgesellschaften unserer drei Länder hineinreicht.

Es gibt nichts Gutes außer man tut es.

2.) Warum dann ein Weimarer Dreieck der Frauen?

Nur eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer den gleichen Zugang zu materiellen, sozialen und kulturellen Ressourcen haben, kann sich als gerecht bezeichnen.

Nur in einer solchen Gesellschaft kann es wirklichen Zusammenhalt geben.

Neben dem Umgang mit Herausforderungen wie Klimawandel, Migration, Digitalisierung gilt es deswegen eben auch die Frage zu beantworten:

Was liegt insbesondere den Frauen auf unserem Kontinent am Herzen?

Was muss und sollte für eine Stärkung der Stellung der Frau getan werden?

Das letzte Treffen in Danzig war dem 100-jährigen Jubiläum des Frauenwahlrechts in Polen und Deutschland gewidmet.

Trotz großer Fortschritte in den letzten einhundert Jahren sind wir – global betrachtet, aber eben auch in Europa – von wirklicher Gleichstellung noch immer weit entfernt.

Der europäische Durchschnitt der Gender-Pay-Gap liegt noch immer unter 20 Prozent.

Auch wenn positiv anerkannt werden muss, dass Ende Mai mehr Frauen als je zuvor ins Europäische Parlament gewählt worden sind: Frauen sind nach wie vor zu wenig in Führungs- und Entscheidungsfunktionen vertreten. Der Frauenanteil im Deutschen Bundestag beträgt weniger als ein Drittel.

In der Privatwirtschaft sieht es mit weniger als 10 Prozent zum Teil noch düsterer aus. Während man uns im Norden Europas schon ein gutes Stück weit voraus ist, hat Europa insgesamt noch einen weiten Weg vor sich.

Die Errungenschaften, die wir in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, dürfen nicht rückgängig gemacht werden.

Und: Vielerorts drohen auch Rückschritte. Aber wo Demokratie, Menschenrechte und das Gebot der Rechtstaatlichkeit offen in Frage gestellt werden, können auch die Frauen – ihre Stellung und ihre Rechte – schnell unter Druck geraten.

Es gilt, die Rechte der Frauen zu stärken. Von Familienplanung bis zum Kampf gegen sexuelle Gewalt.

Frauenrechte sind Menschenrechte und Menschenrechte sind Frauenrechte. So einfach ist das.

Laut Berechnungen des Weltwirtschaftsforums würde es beim derzeitigen Tempo jedenfalls noch über 100 Jahre dauern, bis die internationale Gemeinschaft die Gleichstellung von Mann und Frau erreicht hat.

Liebe Frauen – ich gehöre ja zumindest in der Politik noch zu der Generation der jüngeren Frauen, aber: So lange will und kann ich nicht warten!

Deswegen brauchen wir ein „Weimarer Dreieck der Frauen“, das diese Themen aufnimmt und in Europa gemeinsam vorantreibt und Frauen aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen über Ländergrenzen hinweg eng miteinander vernetzt. Ich hoffe, dass es sich zu einem etablierten offenen Dialogforum entwickelt.

3.) Was können wir tun, um dieses Format weiter zu stärken, was heißt das für unsere Außenpolitik?

Europäisch handeln und denken bedeutet zugleich immer auch multilateral handeln und denken:

Gender-Gerechtigkeit ist ein eigenes Ziel in der Agenda 2030 – eines, das auch für die Erreichung der anderen Nachhaltigkeitsziele essenziell ist.

Es freut mich daher sehr, dass der Rat der EU sich in seinem Arbeitsplan Kultur für die Jahre 2019 bis 2022 Geschlechtergerechtigkeit zu einer Priorität erklärt hat. Auf die Ergebnisse dürfen wir gespannt sein!

Ich begrüße auch die Entscheidung der Generaldirektorin der UNESCO, Audrey Azoulay – die ich erst kürzlich traf – in diesem Jahr im Kulturministerforum der UNESCO das Gender Thema aufzugreifen.

Darauf freue ich mich und werde dabei sein.

Ergänzend aber will ich sagen:

Es braucht auch gerade die direkte Begegnung und das direkte Lernen voneinander.

Eben die praktische Seite der Außenpolitik. Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden, wie zum Beispiel die Partnerschaften des Landes Bremen mit den Städten Cherbourg und Danzig spielen dabei eine Schlüsselrolle und bereichern die zivilgesellschaftlichen Dimension des Weimarer Dreiecks in ganz besonderer Weise.

Genau diese Städtepartnerschaften sollten wir als Teil des Weimarer Dreiecks stärken – und Städtepartnerschaften insgesamt als Teil unseres außenpolitischen Netzwerkes betrachten. Und hier besonders auch die Frauen in den Blick nehmen.

Ein weiteres Beispiel:

Bei dem Freiraum-Projekt des Goethe Instituts wurden Städte, die mindestens 1000 Kilometer voneinander entfernt liegen, zufällig miteinander verknüpft.

Delegationen haben die Stadt des anderen und mit einem Auge von außen auf die Herausforderungen geblickt

Es soll bewirken, dass sich die jeweiligen Partnerstädte mit den Problemen und Aufgaben des anderen auseinandersetzen.

Wie wäre es, wenn wir uns hier das Freiraum-Projekt des Goethe Instituts zum Vorbild nehmen und speziell mit Blick auf das Thema Gender-Gerechtigkeit Partnerstädte europaweit miteinander verknüpfen würden?

Unser Ziel muss im Kern immer die Überwindung der Isolation sowie der Grenzen im Denken und Handeln – und damit die Förderung einer europäischen Identität – sein.

Das heißt nicht, dass in Europa alle immer einer Meinung sein müssen.

Aber dass wir mit Unterschieden konstruktiv umgehen und bereit sind, aus Vielfalt etwas Gemeinsames entstehen zu lassen.

Hier kann Kultur eine ganz besondere Kraft entfalten: Schriftstellerinnen, Filmemacherinnen, Regisseurinnen, Malerinnen, Forscherinnen – Ergebnisse ihrer künstlerischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung können wichtige Impulse und Ideen geben.

Liebe Frauen, liebe Herren,
eben wurde zu Beginn Marie Curie genannt. Lassen Sie mich mit Simone de Beauvoir enden. Sie hat einmal gesagt: „Das Privileg, das der Mann innehat, [….], besteht darin, dass seine Berufung als Mensch mit seinem Schicksal als Mann nicht kontrastiert.“

Oder anders:

Es gilt, Gleichberechtigung umzusetzen und zu leben.

Immer und überall.

Vielen Dank!