Verabschiedung von Prof. Karl-Martin Obermeier am Institut für Journalismus und Public Relations der Westfälischen Hochschule

Liebe Studierende,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Herr Minister a. D.,

lieber Mike,

Herr Präsident,

das illustre Publikum, das heute zusammengekommen ist, darunter besonders die vielen Studierenden – das sagt schon Einiges über unseren Professor.

Da brauchen wir kein Seminar, um ein interaktives Umfrage-Tool zu entwickeln, keinen Algorithmus, um zu einer gemeinsamen Einschätzung darüber zu kommen, was Karl-Martin Obermeier ausmacht.

Wir sehen ja heute einmal mehr, lieber Karl-Martin, Du bist bestens vernetzt, politisch und als Professor bei deinen Studierenden beliebt. Das hat Gründe. Wer dich kennenlernt merkt sehr schnell: Der Mann hat Humor.

Einen sehr speziellen sei bemerkt, der sich wohl im einzigartigen soziologischen Biotop zwischen Rheinland und Ruhrgebiet ausbildet, wenn unkonventionelle Lebensformen weitgehend ohne konservativen Einflüsse einige Jahre gedeihen können.

Konkret hat dies die Auswirkung, dass sich die Herzlichkeit des Rheinlandes durch die Direktheit des Ruhrgebiets deutlich(!) verstärkt.

Lieber Karl-Martin,

das ist empirisch belegt. Niemand ist vor deiner klaren Ansprache sicher – ob Ministerpräsident oder Erstsemester – und besonders deine Studierenden bekommen das unmittelbar zu spüren.

Ob morgens in der Cafete oder mittags in der Mensa: Begrüßung heißt auf K-MO-Sprache nicht “Hallo”, oder gar “Guten Tag” – sondern: “Na, ihr Hühner?!”

Verehrte Damen und Herren, Hühner gab es viele im Stall, ich war auch eines – aber garantiert auch einen Hahn.

Wobei mir auffällt: Die kulturelle Nordrhein-Westfälische Diffusion ist womöglich auch der Ursprung dieser unvergleichlichen Frisur?

Lieber Karl-Martin,

Spaß beiseite. Sicher darf man nicht den Fehler machen und dich auf deine Herzlichkeit im Auftritt, deine Heiterkeit und deinen Hang zum klaren Wort reduzieren.

Denn im Kern bist Du vor allem eines: Ein verdammt guter Pädagoge. Einer, der mir den folgenden Satz wegen Floskelhaftigkeit aus dem Manuskript gestrichen hätte: Ein Professor, wie er im Buche steht. Ich habe da meinen eigenen Standpunkt und den Satz drin gelassen – weil er auch nach eingehender Prüfung stimmt.

Und dazu gibt es längst seriöse Untersuchungen: Studierende schätzen am Lehrpersonal neben der Fachkompetenz die Nahbarkeit.

Und: Standpunkte waren dir auch immer wichtiger, als Halbsätze.

Aber bevor ich zur Frage des Standpunktes komme, noch eine persönliche Bemerkung: Du hast uns als deine Studierenden immer unterstützt, viel mehr als ein Professor das tun muss. Du hast beraten, wenn es um die Berufswahl ging, hast deine Kontakte für deine Studenten eingesetzt, Unternehmen in die Fachhochschule geholt und uns unsere Ideen präsentieren lassen.

Und nicht zuletzt hast Du uns bestärkt – allerdings kannte deine Leidenschaft auch darin keinerlei Understatement – ich sage dir dafür auch ganz persönlich Danke – auch wenn ich es ein bisschen übertrieben fand, dass du dir mein erstes Wahlplakat gleich ins Büro stellen musstest.

Standpunkte, lieber Karl-Martin,

du bist Sozialdemokrat. Das weiß jeder, auch damit hältst Du nicht hinterm Berg.

Du warst immer politisch, aber nie parteiisch, wenn wir diskutierten. Journalisten, das ist deine Überzeugung, die über die Gesellschaft berichten und urteilen sollen, müssen Bescheid wissen – und sie brauchen Haltung.

Das ist nicht selbstverständlich, war es auch nicht bei uns im Studium. Ich erinnere mich gut, als ich in einem VWL-Seminar mathematisch beweisen sollte, dass Mindestlöhne schlecht sind. Das war nicht in deinem Kurs, aber ich hatte in jedem Falle mehr Standpunkt, als mathematisches Geschick. Inzwischen wissen wir, auch Ökonomen irren gewaltig.

So blicke ich im Nachhinein auf unsere Vorlesungen bei dir. Die drehten sich auch mal um Kommunalpolitik oder um die Mechanismen des Lobbyismus.

Und dass Du an der Fachhochschule gelandet bist, verwundert nicht. Auch die brauchen gute Vernetzung und haben eine starke Förderung im Bildungskanon verdient.

Als Kind einer Arbeiterfamilie kenne ich zudem die “inneren Hürden” gut – die Zweifel, die man mit sich trägt, wenn Erfahrungen mit universitärer Bildung in der eigenen Familie fehlen.

Es ist nicht selbstverständlich, dennoch versteht es sich von selbst, dass Du zu denen gehörst, denen nicht wichtig ist, woher jemand kommt, – sondern in welche Richtung er geht.

Auch die praktischen Ideen, die man für das Leben braucht, gehen nicht aus. Und reine Lehre in der Theorie – das passt dann eben doch nicht zu dir.

Was passt ist allerdings, dass die Verabschiedung heute dann auch gleichzeitig ein “Netzwerk-Event” ist. Ich bin gespannt, was mich als Nächstes erwartet, was Du planst, oder wen Du mir unbedingt noch vorstellen willst. Eventuell müssen wir diese Pläne heute etwas verschieben: Du weißt, ich muss gleich noch zurück nach Berlin, damit ich morgen rechtzeitig im Bundeskabinett bin.

Lieber Karl-Martin,

Du bist nun bald Emeritus. Schwer vorstellbar. Auch, weil dein Engagement eben weit über deine Funktion hinausreicht. Dieses Engagement galt und gilt immer auch den sozialdemokratischen Werten: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.

Ich bin erst kürzlich auf ein Beispiel dafür aufmerksam geworden, das deinen unvoreingenommen Blick über den Tellerrand und die Solidarität in deinem Handeln aufzeigt: Das Engagement für die Designer von 7Slim Fashion aus Herten. Hinter 7Slim stehen die vier Salim Brüder, die aus Syrien flohen und in Herten eine neue Heimat fanden. Sie sind allesamt Schneider und eröffneten 2017 in Herten ihr eigenes Atelier.

Verehrte Damen und Herren,

bei einem Netzwerk-Treffen wie dem heutigen traf Prof. Obermeier eine Unterstützerin der Salims, begeisterte sich für deren Idee und kurz darauf konnten sechs Studierende Praxiserfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit für 7Slim sammeln.

Ein wunderschönes Beispiel, das zeigt, wie Win-Win-Situationen entstehen – die den Kuchen für alle noch ein Stückchen größer machen.

Dieses Engagement, das brauchen wir gerade heute so dringend. Nationalismus und Populismus nehmen zu, Rechte sitzen in den Parlamenten und machen unsere Demokratie verächtlich. Nicht nur in Deutschland. Menschen mit klarer Haltung brauchen wir in dieser Welt dringend. Wir brauchen Typen wie dich. Die Verantwortung für andere übernehmen, anpacken – und den Humor nicht verlieren.

Ich hoffe – und bin ziemlich sicher, es wird nicht dein letztes soziales Engagement sein. Denn eines kannst Du garantiert nicht: Einfach in der Ecke sitzen.

Lieber Karl-Martin,

eine konkrete Bitte zum Schluss:

Als Staatsministerin darf ich mit vielen klugen Leuten diskutieren, die die besten Universitäten der Welt besucht haben. In ihren Lebensläufen steht dann Harvard oder Yale. Oder was weiß ich.

Ich fühlte mich jedenfalls mit der Ausbildung – kritisch fragend und nah am Menschen – die ich auch von dir mitbekommen habe, immer und überall gut gerüstet.

Ich würde mir nur wünschen, dass die Studierendenschaft sich nochmal das Marketing vornimmt.

Denn: Ich hätte gerne einen Pulli mit

„Westfälische Hochschule” drauf.

Glückauf!