Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
“Meine Eltern wollten schon immer ein Haus kaufen in Butscha, weil es so nah dran ist an Kiew, man mit dem Auto in die Hauptstadt pendeln kann – wie viele Diplomatinnen und manche Abgeordnete. Butscha, unser Tor in die Hauptstadt. Es war eine schöne Stadt”, erzählt mir eine junge Ukrainerin.“
Das Leid, den Schrecken – all das kann sie noch immer kaum fassen. Sie sieht die Bilder von Herne aus, meiner Heimatstadt im Ruhrgebiet, wo sie einen sicheren Ort gefunden hat. Der Preis dafür: Alleine gehen. Die Familie ihrem Schicksal überlassen.
Das Schicksal – das ist die russische Aggression. Putins völkerrechtswidriger Krieg. Es ist richtig, dass heute angesichts der Ereignisse der letzten Tage noch einmal ganz deutlich wird: Wir stehen an der Seite der Ukraine.
Krieg bringt Tod. Er kennt keine Gewinner. Krieg ist das Unmenschlichste, das Menschen geschaffen haben. Alle Bemühungen, ihn Regeln zu unterwerfen, ihn in Völkerrecht, Kriegsrecht einzubetten, ihn zu erklären, zu zügeln, zu bändigen, in Grenzen zu halten, ihn auf militärische Kräfte zu beschränken – sein Schrecken bleibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In Butscha sehen wir auf grausamste Weise, was Kriege niemals sein dürfen: Vergehen an Frauen, Kindern, Alten, Kranken – gefangen, gefolgert, vergewaltigt und getötet: Sie gehörten zur Zivilgesellschaft.
Präsident Putin, verbieten Sie ihren Soldaten diese Gräueltaten, klar und öffentlich, noch heute. Lassen Sie die Waffen schweigen. Ziehen Sie alle Ihre Truppen aus der Ukraine ab. Beenden Sie den Krieg. Wenn es kein Mitleid ist, dass sie aufbringen können, dann haben Sie vielleicht ein letztes bisschen Ehrgefühl, nicht unter den schlimmsten Verbrechern der Menschheit in die Geschichtsbücher einzugehen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
für uns gilt, wir müssen jetzt noch mehr tun. Denn wer nach Butscha schaut, der muss auch in andere Städte schauen – nach Irpin oder Gostomel – Städte, in denen früher viele Menschen lebten, die in Kiew arbeiteten. Viele Städte, ihre Bewohner, im Nordwesten von Kiew haben unter den Verbrechen der russischen Armee gelitten – die auf ihrem Weg eine Spur der Verwüstung hinterlässt.
Human Rights Watch warnt, dass es ähnliche Gewaltexzesse in anderen Städten gibt. Die Gräuel – sie müssen aufgeklärt werden. Sie brauchen eine klare Antwort.
Ich danke Bundeskanzler Olaf Scholz und der Bundesregierung, dass sie heute hier im Parlament noch einmal deutlich gemacht haben: Wir schauen nicht tatenlos zu. Wir helfen.
Es ist richtig, dass die EU weitere Sanktionen verhängen will.
Dass Angehörige der RUS Botschaft zu unerwünschten Personen erklärt wurden, die hier unter uns gegen uns arbeiteten.
Es braucht aber mehr. Einiges ist heute angesprochen worden. Ich meine:
– Den Zugang für internationale Organisationen zu diesen Gebieten, um die Gräueltaten unabhängig zu dokumentieren.
– die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden
– Die Bundesregierung sollte den internationalen Strafgerichtshof finanziell stärken
– wir müssen in der EU eine eigene Kapazität schaffen, um zu helfen, die Verbrechen aufzuklären.
– die Oligarchen müssen gestoppt werden. Wir müssen ihnen alle Wege versperren, über Scheinfirmen und ähnliches, die Sanktionen zu umgehen
– Und ja: Wir müssen europäisch koordinieren, wie wir aus den RUS Energieimporten aussteigen. Wir müssen raus aus russischer Energie. Aus Kohle, Öl und Gas, in Stufen – aber so schnell es für uns geht.
Nicht zuletzt muss die Ukraine sich wehren und verteidigen können: Ich habe die Listen über die Waffenlieferungen in der Geheimschutzstelle eingesehen – und ich kann sagen: Das ist eine deutliche Entwicklung in den letzten Wochen. Echte Unterstützung.
Hier würde ich mir wünschen, dass auch weitere Hilfsleistungen aus anderen Häusern für die Abgeordneten in voller Transparenz zur Verfügung gestellt werden – nur so bekommen wir Abgeordneten die vollständige Grundlage für die Diskussion.
Klar ist: Die Ukraine braucht jetzt für die Verteidigung weitere Waffenlieferungen, solche, die schnell verfügbar und einsetzbar sind.
Und: Wir werden uns jetzt darauf einstellen müssen, der Ukraine nicht nur den Arm zu stärken, sondern auch den Rücken.
Die Ukraine braucht unsere Solidarität – aber auch in Zukunft alle Kraft zur Selbstverteidigung.
Das Video zu meiner Rede kann hier geschaut werden: